Der Stress wird zu viel. Körper und Seele brauchen eine Auszeit!
Ging es euch auch schon einmal so? „Das muss ich noch tun! Das bald erledigen! Das auf keinen Fall vergessen!“ Ich liege im Bett, will nach einem anstrengenden Tag eigentlich nur noch möglichst schnell einschlafen. Klappt nicht: Das negative Kopfkino lässt mir keine Ruhe. Irgendwann nicke ich dann zwar weg, bin am nächsten Morgen – schlecht geschlafen, schlecht geträumt – aber natürlich nicht richtig fit. Montag geht das so, Dienstag, Mittwoch: Es ist eine stressige Woche. Abend für Abend dreht sich das Gedankenkarussell. Am Donnerstag entscheide ich: Das Wochenende nehme ich frei, als Geschenk an mich selbst. Ich brauche eine Auszeit für Körper und Seele – und werde mir ganz viel Ich-Zeit gönnen.
Ein City-Trip? Auf Trubel, Lärm und Leute habe ich wenig Lust. Ich will aufs Land und in die Natur, will gut essen gut schlafen – und mir gefallen besondere Orte und interessante Gastgeber. Auf der Webseite von GESUNDES BAYERN suche ich nach kompetenten Experten. Und frage mich: Gibt es vielleicht ein anerkanntes natürliches Heilmittel, das beim Entspannen hilft?
Mach’s wie die Oma: Mit Hopfen gegen Nervosität und Schlaflosigkeit
Diese Wunderpflanze, die man aus ganz anderem Zusammenhang kennt, gibt es tatsächlich. Hopfen landet zwar meist im Bier, ist aber eine seit dem Mittelalter verwendete Arzneipflanze. Damals erkannte man die konservierende Wirkung beim Brauen, heute forschen Wissenschaftler über die Wirkung gegen Bakterien, Viren und Krebszellen. In der Naturmedizin wird Hopfentee verwendet, um die Verdauung anzuregen. Und schon meine Oma schwörte auf ihr Hopfenkissen bei Nervosität und Schlaflosigkeit.
Einen Versuch ist’s wert. Nirgendwo lässt sich der Hopfen besser kennen lernen als in Bayerns Herzstück zwischen Ingolstadt und Regensburg: Die Hallertau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Der Wochenend-Ausflug wird für mich zum Erlebnis für alle Sinne: Ich begegne dem Hopfen auf dem Feld, im Restaurant, bei einer Radtour im Bierglas. Doch die Krönung ist, die Wirkung der Dolden beim entspannenden Vollbad am eigenen Köper zu spüren.
Im niederbayerischen Dschungel: Expedition in den Hopfengarten
Rechts und links der Straße rankt ein Dickicht an grünen Pflanzen bis zu acht Meter in die Höhe. Das ist seit Menschengedenken so: Bereits vor gut tausend Jahren wurde in der Hallertau Hopfen angebaut, und ohne dessen Dolden wäre Bayern nicht das Bierland geworden, das es heute ist. „Trotzdem kennen nur wenige die Pflanze, die dem Bier die Aromen schenkt“, erzählt mir Elisabeth Stiglmaier. Die rührige Dame ist dabei, das zu ändern: Als Hopfenbotschafterin weiht sie Gäste in die Geheimnisse der Würz- und Heilpflanze ein. Ihre Erlebnistouren organisiert Elisabeth Stiglmaier bei sich zu Hause im Dorf Attenhofen. Treffpunkt ist – wie passend – die Hopfenstraße. „Bring besser feste Schuhe mit“, hatte sie mir am Telefon aufgetragen. Die Hopfenbotschafterin in ihrer grün-weißen Tracht führt mich nämlich nicht in ein Freilichtmuseum mit gepflegtem Rasen, sondern über einen Acker mitten hinein in einen wuchernden Dschungel – ihren Hopfengarten.
Alles im grünen Bereich: Der Hopfenduft lässt mich zur Ruhe kommen
Dort ist für mich alles im grünen Bereich. Ich schließe die Augen, schnuppere, konzentriere mich auf den Geruch. Die Ernte steht erst Ende August an, doch als unsichtbarer Baldachin spannt sich der Duft des Hopfens schon jetzt über die Plantage. Jedes Mal, wenn eine sanfte Brise die Blätter zum Rascheln bringt, trägt der Wind einen Hauch Aromen heran – eine gewisse Süße, vor allem aber herb und würzig. Betörend lieblich wie bei Rosen ist der Duft nicht, aber er zieht mich trotzdem in seinen Bann. Ich nehme eine Hopfendolde und zerreibe sie, erspüre die Struktur der klebrigen Blättchen mit den Fingern. Tief ausatmen, noch tiefer einatmen, den Duft inhalieren: Das hier ist wie Waldbaden, nur noch intensiver – und durch die Wirkung des ätherischen Öls ungemein beruhigend. Hier würde ich bestimmt schlafen wie ein Stein. Ein Zelt habe ich aber nicht dabei. Und wie käme das an mitten in Niederbayern, würde ich heimlich biwakieren?!
Elisabeth Stiglmaier holt mich von meinem Tagtraum zurück. „Bald bringen wir die Reben in die Scheune. Eine Pflückmaschine trennt die Dolden vom Stock. Danach werden sie aussortiert, getrocknet, luftdicht verpackt und gekühlt.“ Zwei Milliarden Hektoliter Bier trinkt die Welt im Jahr, und dessen Geschmack hängt entscheidend von der Qualität des Hopfens ab. Wer außerdem als Craft-Beer-Enthusiast auf Methoden wie das Hopfenstopfen setzt, also erneut Dolden in den Sud gibt, wenn dieser abgekühlt ist, setzt oft auch auf neue Hopfensorten mit ausgeprägten Aromen von Mango und Passionsfrucht, Melone oder Zitrone.
Ein paar Halbe trinken? Gesund werden mit Hopfen geht anders...
Wie das schmeckt, würde ich eigentlich gerne testen: Elisabeth Stiglmaier ist nämlich auch ausgebildete Biersommelière. Aber ich muss noch weiter, nach Wolznach ins Deutsche Hopfenmuseum. Das hat die Form eines Hopfengartens und erzählt in einer aufwändigen Ausstellung von der Bedeutung des „grünen Golds“. Lorenz Reich ist dort Vorsitzender des Fördervereins – und einer der wenigen, die in der Hallertau Hopfen für medizinische Zwecke anbauen. „Wäre ja toll, wenn wir nur ein paar Halbe trinken müssten, um gesund zu bleiben“, grinst der sympathische Landwirt, „doch so funktioniert das leider nicht.“ Seine Ernte geht nämlich nicht an Bayerns Brauer, sondern landet in den Laboren der Unis und der Pharmaindustrie. „Die Sorte heißt Xantia und hat einen besonders hohen Anteil an Xanthohumol. Es gibt etliche Forschungsprojekte, um herauszufinden, ob der Wirkstoff gegen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Krebs hilft.“ Erste Studien sind vielversprechend, doch Medikamente gibt es noch keine.
Ich checke zum Übernachten dort ein, wo die bitteren Dolden schon jetzt auf den Teller kommen. Andreas Ferkel, Küchenchef im Hotel Eisvogel von Bad Gögging, aromatisiert viele Speisen mit der Hallertauer Spezialität und serviert ab und an sogar ein ganzes Hopfen-Menü. Ich habe Glück und darf probieren. Aufgetischt wird eine Biersuppe mit Hopfendolden, ein auf Hopfen geräuchertes Saiblingsfilet, ein Hirsepflanzerl mit Hopfenkruste: regional, gesund und lecker! Die nötige Bettschwere habe ich anschließend – und schlafe wie ein Stein.
Mein Programm: Faulenzen – und dann eine Lektion in Niederbayerisch
Der Eisvogel ist ein Hotel für Faulenzer. Das bedeutet nicht nur, dass man auch erst um zehn Uhr zum Frühstück erscheinen kann. Chefin Margit Zettl-Feldmann ist eine Menschenkennerin, wenn sie mir mit einem Augenzwinkern empfiehlt: „Gäste wie Sie können bei uns gehen statt rennen, verweilen statt hetzen.“ Sie hat voll ins Schwarze getroffen. Also werde ich mich fügen und den Tag ruhig angehen. Vorher bekomme ich aber noch eine Lektion Fremdsprachenunterricht.
Stimuliert von gleich sechs G-Punkten: So lässt sich’s leben!
Das Konzept des Hotels Eisvogel, lerne ich, baut auf sechs Gs auf – Gesundheit und Genuss, Gleichgewicht und Gemütlichkeit, G’mächlichkeit und G’schaftigkeit – womit, da muss ich nachfragen, das Entspannungs- und Aktivprogramm gemeint ist. Im echt niederbayerischen Dialekt klingt das aber viel weniger steif, sondern einfach sympathisch: „G’sund bleib’n und’n G’nuss ned vergess’n, des is isi, aber ois ganz g’mach. Des richtige Gleichg’wicht find’n, sog i scho lang, aber ois ganz g’mach oda a moi g’schaftig – pack mas gmiatlich o!“
Radtour des guten Geschmacks: Ich entdecke zwei besondere Brauereien
Um das korrekt aussprechen zu können, muss ich noch üben. Doch immerhin verbinde ich alle sechs Gs – und mache eine Radtour. Es geht entlang der träge fließenden Donau, die sich an der Weltenburger Enge durch Kalksteinfelsen zwängt. Dort steht die Kirche der Gebrüder Asam, ein Prunkstück der Barockzeit. Doch mich zieht es ins Sudhaus: Weil die Mönche hier schon im Jahr 1050 mit dem Bierbrauen loslegten, gilt Weltenburg als älteste Klosterbrauerei der Welt. Mein Tipp für den Pausenschluck im Biergarten: Das „Barock Dunkel“, das hier noch fünf bis sechs Wochen reifen darf, bis der Geschmack wirklich stimmt.
Eine Seilfähre bringt mich ohne Motorkraft auf die andere Seite der Donau, dann geht’s über den Hirschberg ins Altmühltal. Auch dort gibt es einen Biergarten in Flussnähe, doch das Ambiente ist lockerer. Was auch am Chef liegt, Anfang 40, und seiner Philosophie. „Bei uns hat jede Generation mit Bier experimentiert. Man muss immer neue Wege gehen, um Altes zu bewahren“, sinniert Maximilian Krieger, aktuell der „Bräu“ im Riedenburger Brauhaus. Seit über 250 Jahren ist die Familie in Riedenburg im Biergeschäft, seit 1994 wird hier nur noch Bio-Bier gebraut. „Das war damals eine Revolution. Genauso wie die Idee, das Malz von alten Getreidesorten wie Einkorn und Emmer zu verwenden.“ Die Zutaten (und natürlich der Hopfen) stammen alle aus der Region: „Ich kann nicht stolz sein aufs bayerische Bier und gleichzeitig meine Rohstoffe in Argentinien kaufen.“
Geschmack ohne Alkohol: Das Dolden Null ist mein Craft-Beer-Favorit
Heute füllt Maximilian Krieger nicht nur spritzige Hefeweizen und aromatische Urgetreidebiere ab. Es gibt unter den etwa 30 Sorten der Spezialitätenbrauerei auch sechs alkoholfreie Varianten. Probieren ohne Reue – das gefällt mir! Das Ur-Helle und das Ur-Dinkel schmecken lecker. Mein Favorit (und nicht nur, weil ein Elefant das Etikett ziert), ist aber das Craftbeer Dolden Null, ein India Pale Ale gebraut mit fünf verschiedenen Hopfensorten. Angenehm bitter, süffig, mit grasigen Noten und Zitronenduft – hopfiger geht es nicht! (Note to myself: Im Bioladen bei mir zu Hause nachfragen, ob sie das im Sortiment haben. Wenn nicht: Im Onlineshop Nachschub für den nächsten Grillabend bestellen!)
Eins, zwei oder drei: Welches Naturheilmittel soll ich wählen?
Zurück in Bad Gögging, habe ich die Qual der Wahl. „Dreifach g’sund“ lautet dort der Slogan, weil es – und das gibt’s in keinem anderen Kurort Bayerns – nicht nur ein, sondern gleich drei ortseigene, staatlich anerkannte Naturheilmittel gibt. Schon die Römer nutzten vor 2000 Jahren das Schwefelwasser. Trinken muss ich das zwar nicht unbedingt, aber wie wäre es mit einem Wannenbad, um Nacken und Rücken was Gutes zu tun? Ich könnte natürlich auch Moorsau spielen und mir eine warme Packung oder gar ein Vollbad gönnen. Oder soll ich in der Limes-Therme ins Mineral-Thermalwasser hüpfen, gut gegen Erschöpfung und Stress?
Ein andermal – es war sicher nicht mein letzter Besuch. Bin ich nicht hier zum Runterkommen, soll ich mir nicht einmal etwas Besonderes Gönnen? Der Spa-Bereich des Hotel Eisvogels ist einer Hopfenplantage nachempfunden, mit Bildern der grünen Pflanzen und einem Sitzbereich, der mit Drähten überspannt ist wie draußen die Felder. Antibakteriell, durchblutungsfördernd, entspannend: Hopfen gibt mir das, was ich jetzt brauche. Hopfensalzpeeling? Hopfenpackung? Ich blättere durch den Katalog und entscheide mich für ein Hopfenbad.
Ganz bei mir selbst: Das Hopfendoldenbad tut Kopf und Körper gut
Das Wasser in der Wanne sehe ich gar nicht: Sie ist randvoll mit Hopfendolden. Um die Wirkung noch zu intensivieren, kam noch ein Schuss intensiv duftendes Hopfenöl dazu, hergestellt vom Apotheker um die Ecke. Erst ist es ungewohnt, die ein wenig kratzigen Dolden am ganzen Körper zu spüren. Doch dann weicht die Anspannung. Ich lege den Kopf nach hinten, schließe die Augen, bewege mich kaum noch. Wohlige Wärme, der unvergleichliche Duft: Ich fühle mich wohl und geborgen, schalte ab, bin ganz bei mir selbst.
Keine blöden Gedanken mehr, keine Spur von Stress, nur happy feelings in Kopf und Körper: Tiefenentspannung fast wie auf Knopfdruck, das hätte ich bei einem Naturheilmittel nicht erwartet. Manchmal ist das Einfache eben auch das Beste. Irgendwann dann: Ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Die 20 Minuten sind wohl um. Widerwillig steige ich unter die Dusche. Nur kurz spüle ich die Blätter ab, die an meiner Haut kleben, um nicht auch den Ölfilm abzuwaschen. Dann hülle ich mich in den Bademantel, schlurfe zum Zimmer, lege mich ins Bett, und.. schlafe ein.
Kurzbesuch mit Langzeitwirkung: Nur ein Hopfenkissen fehlt zum Glück
Nachtrag: Das Abendessen habe ich tatsächlich verpennt. Doch das nachsichtige Küchenteam konnte mir netterweise noch eine Brotzeit organisieren. Danach bin ich gleich wieder auf Traumreise gegangen. Richtig ausgeschlafen, munter und rundum erholt ging es am nächsten Tag nach Hause. Das Einschlafen hat auch anschließend wieder gut geklappt, obwohl der Druck nicht geringer war – der Aufenthalt in der Hallertau war ein Kurzbesuch mit Langzeitwirkung.
Wenn ich trotzdem wieder zurückkomme, hat das zwei Gründe. Zum einen habe ich gemerkt, wie gut es tut, mir ab und eine intensive Ich-Zeit zu gönnen. Zum anderen muss ich noch mal zum Einkaufen hin. Aus dem Kuscheltier-Alter bin ich zwar inzwischen heraus. Ein duftendes Einschlaf-Kissen mit Hopfen aus der Hallertau bekäme in meinem Bett aber natürlich trotzdem einen Ehrenplatz.
0 Kommentare
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.