In Bad Aibling, Bayerns ältestem Moorheilbad, teste ich die Wirkung des "Schwarzen Goldes". Erst darf ich mich bei einer Moorzeremonie in der Therme einsauen wei ein Kind. Dann geht´s an die frische Luft, denn die Moore im Voralpenland sind eine Schatzkammer der Natur. Die Krönung ist dann das Vollbad: Im Schwebezustand erlebe ich die totale Entspannung. Einmal probiert, für immer verführt!

Moor fühlt sich besonders an. Wer hat Lust auf eine Schlammschlacht?

Riechen und tasten, sehen – und sogar hören: Das „Schwarze Gold“ ist ein Fest für meine Sinne. Angenehm sanft und weich ist das Moor, wenn ich es knete. Es gluckst und schmatzt, wenn ich hineingreife, und flutscht wie Glibber durch meine Finger. Kürzlich habe ich am Strand eines Baggersees mit ein paar Kumpels Burgen gebaut – Meditation für Männer, sehr zu empfehlen. Doch was ich jetzt in der Therme von Bad Aibling in den Händen halte, fühlt sich besser an als Sand. Nicht zu labberig, nicht zu dickflüssig: Der schwarze Matsch hat die perfekte Konsistenz für eine ausgiebige Schlammschlacht! Wer macht mit?

Ein hottes Schnupperangebot: Mit Moorpackung ins Dampfbad

Spoiler: Aus diesem feuchten Traum wird nichts. Denn die Therme Bad Aibling würde es mir übel nehmen, wenn schwarze Klumpen auf weißen Wänden und flauschigen Bademänteln landeten. Doch sich mit Moor richtig einzusauen, von Kopf bis Fuß den kompletten Körper einzuschmieren? Das ist erlaubt. „Nur die Stirn besser auslassen, damit Dir gleich nicht alles in die Augen läuft“, lautet der Tipp von Michael Wagner-Fischer. Der joviale Saunameister kennt sich aus – sein Großvater war Moormeister, seine Großmutter Badefrau. Nun also leitet der Enkel eine Moorzeremonie. Die steht in der Therme alle paar Stunden an, damit Gäste das berühmteste Heilmittel von Bad Aibling unkompliziert kennen lernen können. Eigentlich wollte ich hier nur die Therme selbst erleben, die mit ihren Kuppeln und der fließenden Feng-Shui-Architektur zu den schönsten in Bayern zählt. Doch was Neues ausprobieren? Keine Frage: Natürlich bin ich dabei!

Hier sehen Sie zwei Menschen in der Therme im Außenbereich entspannen.
© Helge Bendl - Entspannung pur: Nach der Moor-Anwendung relaxe ich im Heilwasser der Therme Bad Aibling.

Sparen muss ich nicht: Vom „Schwarzen Gold“ gibt’s einen ganzen Eimer

Vor dem Dampfbad drückt Michael Wagner-Fischer allen je einen Eimer in die Hand, randvoll gefüllt mit Moor. Anders als vom echten Gold gibt es reichlich vom „Schwarzen Gold“, sparen muss ich also nicht. Doch zunächst will ich kurz schnuppern, mit welcher Substanz ich mich einschmieren soll. Appetitlich sieht das schwarze Gemisch zwar wirklich nicht aus. Modrig, faulig oder eklig riecht es aber nicht, stattdessen fast schon angenehm nach würziger Erde. Also los! Weg mit der Badehose, kurz unter die Dusche, dann kommt das Moor auf die Haut. Die Paste lässt sich so leicht auftragen wie eine dickflüssige Sonnencreme. Also rauf damit auf Schenkel und Po, Bauch, Arme und Gesicht. Vermutlich sehe ich so aus, als sei ich kopfüber in ein Schlammloch gefallen.

Viel besser als im Jacuzzi: Ich spüre die Wärme von außen und innen

Doch was zählen schon Äußerlichkeiten? Kurze Zeit später fühle ich mich wie im siebten Himmel. Ich springe gerne in einen sprudelnden Jacuzzi und genieße den Aufenthalt in einer Sauna, doch beides Mal kommt die Wärme von außen. Jetzt, mit der dicken Moorschicht auf der Haut im schwülheißen Dampfbad, scheint mein Körper parallel auch von innen zu heizen. Das führt erstaunlich schnell zur Entspannung. Gut für die Haut ist es außerdem, weswegen Moor auch für viele Wellness-Behandlungen eingesetzt wird. 250 Hormone und Mineralstoffe sind im Bad Aiblinger Moor enthalten, darunter die für ihre Heilkraft so geschätzten Huminsäuren. Die binden Schadstoffe und helfen beim Reinigen der Poren.

Hier sehen Sie einen Mann, der mit schwarzem Moor beschmiert in einer Wärmekammer sitzt.
© Helge Bendl - Warten auf den Dampf: Mit dem Moor auf der Haut komme ich gleich so richtig ins Schwitzen.

Meine Haut prickelt: Sie freut sich übers Naturpeeling mit Tiefenwirkung

Sobald ich die ersten Schweißtropfen auf der Stirn spüre, lasse ich los. Ich merke, wie sich meine Muskeln lockern, und wie gleichzeitig auch mein Kopf zur Ruhe kommt. Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf meinen Atem. Am ganzen Körper beginnt dann unter der zerfließenden Moorschicht die Haut zu prickeln: Sie freut sich sicher über das Naturpeeling mit Tiefenwirkung. Nach 15 Minuten bei 40 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit geht es zum Abduschen und in die Ruhegalerie der Moorkuppel. Ich gönne mir eine halbe Stunde zum Träumen. Dann aber tausche ich Badeschlappen gegen Sneaker: Ich will herausfinden, wo der heimische Zauberstoff herkommt, und was genau es mit ihm auf sich hat.

 

Hochmoore – im Voralpenland nennt man sie Filze – gibt es viele rund um Bad Aibling. Alle paar Wochen organisiert die Tourist-Information von Bad Aibling eine Führung durch einen alten Torfstich. Die Ärztin und Moor-Expertin Dr. Barbara Gschwändler-Töller erklärt in den Sterntaler Filzen, wie der Torf abgebaut, als Heilmittel verarbeitet, und anschließend wieder in die Natur zurückgebracht wird. Leider ist der nächste Termin erst in ein paar Tagen. Ich leihe mir also ein Fahrrad und schaue mich auf eigene Faust um. Angst, als Moorleiche zu enden, muss ich nicht haben: Es gibt nämlich einen Bohlenweg.

Schatzkammer der Natur: Ich lausche nach Vögeln im „Vierkehlchenland“

Im historischen Stadel entdecke ich die alten Arbeitsgeräte der Torfstecher, die das Material einst als Brennstoff zum Heizen verkauften. Die leeren Gruben sind inzwischen gefüllt mit Wasser: Frösche quaken, Libellen tanzen, seltene Pflanzen wie der Insekten fressende Sonnentau und das Seggengras breiten sich aus. Ich nehme mir Zeit, um die Geräusche der Natur auf mich wirken zu lassen. Und schärfe den Blick: Weil hier Schwarz-, Braun, Blau-, und Rotkehlchen brüten, nennt man die Gegend auch „Vierkehlchenland“. Mist, kein Fernglas dabei! Dafür führt direkt vor mir ein Kiebitzpärchen seinen piepsenden Nachwuchs spazieren. 

Kreislaufwirtschaft: Nach dem Moorbad geht der Torf zurück in die Natur

An einer Infotafel lerne ich, dass Moore natürliche Kohlendioxid-Speicher sind. Wenn sich aus abgestorbenen Pflanzen Torf bildet, wird Kohlenstoff dauerhaft eingelagert. Inzwischen ist das „Schwarze Gold“ für den Klimaschutz zu wichtig, um es zu verbrennen oder im Garten zu verwenden. Für die Anwendungen in Bad Aibling gibt es aber noch Nachschub für Generationen, denn gebraucht werden nur kleine Mengen. Max Panradl heißt der Mann, der den Nachschub organisiert: Seit über 50 Jahren liefert seine Familie aus den Filzen der Region den Rohstoff für die Moorbäder und sorgt anschließend für die Renaturierung, so dass man den Torf ein paar Jahrzehnte später erneut verwenden kann.

Eine Moorpackung pro Woche, und die Rückenbeschwerden sind weg!

„Keine Steine, keine Wurzeln: Die Qualität des Bad Aiblinger Moors ist perfekt“, meint der 57-Jährige. Vom Moor allein lebt Max Panradl aber nicht: Mal sitzt er für Erdarbeiten im Bagger, mal muss er für Baumarbeiten in Wipfel klettern. „Sein“ Naturheilmittel hat ihm schon geholfen, vier Bandscheibenschäden auszukurieren: „Die Ärzte wollten gleich operieren, doch mit Moorbädern und Physiotherapie habe ich’s wieder hinbekommen.“ Heute gönnt er seinem Rücken präventiv einmal die Woche eine Moorpackung – und hat keine Beschwerden.

Das perfekte Mitbringsel: Moorkissen für den verspannten Nacken

An alle, die nicht wie er selbst an der Quelle sitzen, verschickt Max Panradl sein selbst entwickeltes „Aiblinger Moorkissen“. „Wir füllen frisches, besonders feines Moor in eine hautfreundliche Folie“, erzählt er. Moor hat die Eigenschaft, eine gewünschte Temperatur deutlich länger zu halten als Wasser. Erwärmt in der Mikrowelle, legt man das Moorkissen direkt auf schmerzende Stellen – so wird die Durchblutung gefördert und verhärtete Muskelpartien entspannen sich. Das ist für mich, einen Schreibtischtäter, das perfekte Mitbringsel! Zuhause werde ich es abends, nach langen Stunden am Laptop, auf den verspannten Nacken legen.

Seit 175 Jahren bewährt: Moorbäder helfen gegen Schmerzen und Stress

Die Königsdisziplin der Moor-Anwendungen aber ist das Moorbad, auf das man hier, in Bayerns ältestem Moorheilbad, seit mehr als 175 Jahren schwört. Damals war es Gerichtsarzt Desiderius Beck, der auf das Naturheilmittel setzte. Bis heute wird es vor allem gegen Schmerzen in den Gelenken bei Arthrose, Gicht, Ischias und Rheuma eingesetzt. Doch der Zauberstoff aus den Filzen kommt inzwischen auch bei einem dreiwöchigen Präventionsprogramm zum Einsatz, bei dem es um mentale Gesundheit, Stressbewältigung und Vorsorge gegen Burnout geht.

Hier sehen Sie ein gelbes Thermometer, das 43° anzeigt.
© Helge Bendl - Erwärmt auf 43 Grad: Das Moor sorgt dafür, dass mein Körper beim Vollbad mit Heilfieber reagiert.

Dreifache Wirkung: Naturmoor ist ein überraschendes Zaubermittel

Andreas Egger, Heilpraktiker und Chef im Kurmittelhaus Egger, scheint mir ein würdiger Nachfolger für den Pionier Desiderius Beck zu sein. Er zeigt mir seine Hexenküche, in der das Moor gemischt und in einem großen Kessel auf 43 Grad erhitzt wird. „Moor wirkt dreifach – durch seine Inhaltsstoffe, die Wärme, und den Schwebeeffekt“, erklärt er. Die Huminsäuren sind entzündungshemmend, die Wärme dringt tief in den Körper ein und erzeugt ein künstliches Fieber. Im dickbreiigen Moor schwebt der Körper, ohne Muskeln anspannen zu müssen.

 

Desiderius Beck verwendete noch Holzzuber, in den Behandlungsräumen von Andreas Egger stehen dagegen blitzende Edelstahlwannen. Eine ist für mich reserviert. Da soll ich jetzt wirklich rein, bis zum Hals in die schwarze Masse? Das kostet doch etwas Überwindung. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also rein mit mir! Erst das eine Bein, dann das andere, bis das Moor meinen ganzen Körper umhüllt und nur noch mein Kopf herausschaut.

Hier sehen Sie einen Mann, der in einem Moorbad gefüllt mit schwarzem Moor, liegt.
© Helge Bendl - Könnt ihr erkennen, wie ich schwebe? 20 Minuten im Moorbad, das bedeutet totale Entspannung.

Das Moor als Kokon: Im Schwebezustand erlebe ich totale Entspannung

Erst fühlt es sich seltsam an, nicht wie üblich im Wasser zu liegen, sondern in einer dunklen Masse. Doch schnell habe ich mich eingerichtet. Bald stehen mir Schweißperlen auf der Stirn. Trotzdem kann ich wunderbar entspannen. Es tut einfach nur gut, die Wärme zu spüren, den erdigen Geruch zu schnuppern, ab und an mit der Hand durch den dickflüssigen Brei zu fahren. Ich habe das Gefühl, das Moor sei ein Kokon, der mich schützt, und der die Probleme des Alltags von mir fernhält. Im Schwebezustand erlebe ich 20 Minuten totale Entspannung.

Einmal probiert, für immer verführt: Ich habe Lust auf mehr

Nach dem Duschen braucht mein Körper erst einmal eine Pause. Doch es ist eine positive Form der Erschöpfung: Ich fühle mich rundum gut und erholt. Wenn ich mehr Zeit habe, werde ich wiederkommen – die volle Wirkung der Moorbäder entfaltet sich erst nach einigen Anwendungen. Was den Effekt des Naturmoors angeht, gilt für mich auf jeden Fall: Einmal probiert, für immer verführt!

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Helge Bendl

Offiziell ist Helge Bendl nach Stationen in München, Stuttgart und Berlin nun im beschaulichen Tübingen zu Hause. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit: Der bereits mit dem CNN Journalist Award ausgezeichnete Reporter tourt die meiste Zeit im Auftrag von Magazin- und Zeitungsredaktionen um die Welt. Besonders viel Zeit verbringt er im südlichen Afrika. Ab und an schaut er sich aber auch in heimischen Gefilden nach spannenden Geschichten um. Und hat festgestellt: Ebenso facettenreich und faszinierend wie die trendige „Traditionelle Chinesische Medizin“ sind jene Menschen, die sich in Bayern unseren eigenen historischen Heilmethoden widmen...

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