Sehr geehrter Herr Dr. Weckbecker,
dass ich mich per Brief an Sie wende, verlangt nach einer Erklärung. „Der Typ ist ja irre“, könnten sonst jene Menschen denken, die Sie noch persönlich kennen gelernt haben. Diese Leute würden nicht an Ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifeln, natürlich nicht: Sie waren schließlich kein durchgeknallter Heiler, der Patienten das Blaue vom Himmel versprochen hat, sondern ein auch von vielen Schulmedizinern respektierter Facharzt für Innere Medizin und Naturheilkunde. Mich selbst würde man aber zumindest für etwas seltsam halten: „Der schreibt doch tatsächlich an einen Mann, der seit über 15 Jahren tot ist!“
Ein Brief an einen Toten? Eigentlich schreibe ich an mich selbst.
Stimmt. Natürlich werden Sie, lieber Herr Dr. Weckbecker, diesen Brief nicht mehr lesen können. Dafür aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der von Ihnen gegründeten Fachklinik, in der Ihre Pionierarbeit weitergeführt wird. Und auch alle, die wie ich noch nie gefastet haben, es aber ausprobieren wollen. Aber ich schreibe diesen Brief auch für mich persönlich. Wie es mir in meiner ersten Fastenwoche ergangen ist, was ich erlebt habe, wissen inzwischen zwar Freunde und Familie. Jetzt aber geht es darum, für die Gedanken und Gefühle die richtigen Worte zu finden. Das klappt oft gut, wenn man es sich aufschreibt. Also los!
Es war eine gute Woche. Für meinen Körper, der sich anfühlt, als wäre er mal richtig durchgeputzt worden – nicht gegen meinen Willen mit Gewalt, sondern auf sehr natürliche Art. Dass die Waage nach nur sieben Tagen gleich einige Kilo weniger anzeigt (und dass anderen die Veränderung auffällt), ist ein netter Nebeneffekt. Doch viel wichtiger: Dass ich schon nach so kurzer Zeit deutlich munterer bin als vorher, vom Langschläfer zum Frühaufsteher konvertiert bin, und dass ich beim Ausdauertraining auf dem Heimtrainer plötzlich mehr Leistung bringen kann. Auch mein Kopf hat profitiert, weil der berufliche Stress zu Hause geblieben ist. Keine Ahnung, wann ich mir das letzte Mal eine echte Auszeit vom Alltag gegönnt habe! Ich sollte so etwas öfter machen. Alle sechs Monate? Oder jedes Jahr?
Autophagie? Nie gehört. Ist aber nobelpreis-wichtig für Körper und Kopf.
So fühlt es sich also an, wenn der Körper entgiftet und entschlackt ist. Oh je: Schütteln Sie jetzt tadelnd den Kopf, wie in einem jener Vorträge, die man in einer Endlosschleife auf dem Kliniksender sehen kann? Mediziner wie Sie mögen solche Wischi-Waschi-Begriffe natürlich nicht. Dr. Rainer Matejka (er war vor 30 Jahren mal Ihr Schüler und ist inzwischen Ihr Nachfolger als Chefarzt der Weckbecker-Klinik) spricht bei der Aufnahmeuntersuchung deswegen von Autophagie, um mir zu erklären, was das Heilfasten im menschlichen Körper anregt. Doch ganz ehrlich, Hand aufs Herz: Damit, wie sich der Körper selbst regenerieren kann, wenn man ihn nur lässt, habe ich mich (vielleicht) im Bio-Unterricht beschäftigt, und das ist nun auch schon ein paar Jährchen her.
Heilfasten bringt Müllabfuhr und Immunabwehr der Zellen in Schwung
In einer ruhigen Minute google ich also später den Begriff: Ein japanischer Forscher hat vor ein paar Jahren den Medizin-Nobelpreis für seine Forschung über das Recyclingprogramm der menschlichen Zellen erhalten. Müllabfuhr und Immunabwehr in einem ist dieser Prozess. Wer unter medizinischer Aufsicht fastet, kann anscheinend dafür sorgen, dass das System den Turbo einlegt. „Früher war das Heilfasten eine Volksmedizin“, sagt dazu Dr. Rainer Matejka. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam das freiwillige Verzichten dann aus der Mode. „Jetzt aber besinnen sich die Leute wieder auf jene Naturheilverfahren, deren Wirksamkeit inzwischen auch wissenschaftlich gut belegt ist.“
Kein Wellness-Wochenende, sondern nachhaltige Wirkung
In Ihrem Haus fühle ich mich wie ein Gast. Obwohl wir offiziell Patienten sind, ich weiß. Aber Ihre Weckbecker-Klinik hat sich für mich einfach nicht wie ein Haus für Kranke angefühlt, sondern wie ein komfortables Seminar. Die Zimmer sind schöner, die Betten besser als in vielen Hotels. Es ist kein Wellness-Hideaway, Gott bewahre, aber so viel Wohlfühlatmosphäre hätte ich nicht erwartet. Noch ein entscheidender Unterschied: Nach einem Wellness-Wochenende hat einen sofort der Alltag wieder, der Erholungseffekt verpufft. Beim Heilfasten ist es anders: Hier spüre ich die Auswirkungen selbst jetzt noch, Wochen später.
Gut, da gab es durchaus ein paar Leute, denen man ihre Gewichtsprobleme angesehen hat. Und andere, die ihre Rheuma-Erkrankung lindern wollten, ihre chronischen Schmerzen, ihren Bluthochdruck, ihre Migräne. Aber sonst waren viele dort, weil sie sich vom Heilfasten eine vorbeugende Wirkung versprechen. Leute wie Sebastian, Anfang 40, ein super sportlicher Typ aus dem Schwarzwald, der hier mit seiner Frau zehn Tage Pärchenurlaub verbringt. Oder die Mädels aus Sachsen, echte Fasten-Profis, die sich seit vielen Jahren diese Auszeit nehmen. Wer hätte gedacht, dass der Altersschnitt so niedrig ist? Es gibt ein paar Rentner, doch die meisten der Patienten sind noch berufstätig, so wie ich.
Warum ich faste? Um gesünder zu leben!
„Warum möchten Sie fasten?“ Diese Frage hätten Sie, Herr Dr. Weckbecker, mir bei der Aufnahmeuntersuchung gestellt. Heute muss man schon zu Hause einen Fragebogen ausfüllen. Um Gewicht zu reduzieren? Nun ja, ein paar Kilo weniger würden nicht schaden, aber eigentlich fühle ich mich wohl im eigenen Körper. Um Beschwerden zu verbessern? Krank bin ich nicht. Zur Lebensstiländerung? Das passt am besten: Etwas zu tun, um einen Burnout zu vermeiden, und stark zu sein für die Herausforderungen des Alltag, sind gute Vorsätze.
Der Einstieg ins Heilfasten soll besser gelingen, wenn man sich innerlich darauf einstellt und seinem Körper vorher ein paar Entlastungstage gönnt. Also nur leichte, gut verträgliche Lebensmittel (ok), keinen Kaffee (ok), keinen Alkohol (naja). Dann geht es in die idyllische Einsamkeit der Bayerischen Rhön, genauer gesagt nach Bad Brückenau. Wussten Sie, dass auf dem Stadtplan der Kurstadt ein prall gefüllter Eisbecher mit Herzchen-Waffel abgebildet ist, dazu der Slogan „Find ich toll!“?! Was für eine Frechheit – war mein erster Gedanke. Doch dann habe ich mich gewundert: Hunger hatte ich nie, auch keinen Appetit auf Süßes. Das macht es überraschend kinderleicht, solchen Verlockungen zu widerstehen.
Klingt nicht sexy, funktioniert aber: Die Colon-Therapie
Beim Heilfasten nehme ich nicht nur keine feste Nahrung mehr zu mir. Es wird auch dafür gesorgt, dass sich mein Darm schnell entleert – und auch leer bleibt. Jeden Morgen gibt es ein Glas Wasser mit Bittersalz – dann zack, ab aufs Klo! Beim Ihrem Weckbecker-Heilfasten kommt noch eine kurze Darmspülung dazu – das ist einer der Unterschiede zu den Konzepten Ihrer Kollegen Otto Buchinger und F. X. Mayr, wie ich erfahren habe. Deshalb braucht es bei Ihnen keine so hohe Konzentration an Bittersalzen wie bei den alternativen Methoden. Außerdem dauert die sogenannte Colon-Therapie nur 15 Minuten. Ich kann Ihnen sagen: Anfangs war ich skeptisch, aber es funktioniert!
Außerdem war Ihnen das Kneippen ja anscheinend sehr wichtig, weil Sie sich einst selbst damit von allerlei chronischen Erkrankungen geheilt haben. Auch heute noch sind die Anwendungen in den Tagesablauf integriert. Tautreten am Morgen, dazu Bäder und Güsse – in der Bäderabteilung gibt es für mich das ganze Programm. Das Kneippen habe ich jetzt übrigens in meinen Alltag integriert – und starte inzwischen meinen Tag zuhause mit einer kalten Dusche.
Alles, außer Langeweile: Erst „tun“, dann „ruhn“
Langweilig wird es einem bei einer Fastenkur nicht. Ich hätte gedacht, die Tage würden seeeeeehr langsam vorüber gehen. Stattdessen gibt es viel Programm: Massagen, Gymnastik, Frühsport – und auch Osteopathie! Es arbeitet da ein Mann in Ihrer Klinik, Sebastian Wurster, der mit viel Fingerspitzengefühl ans Werk geht, und anscheinend auch einen siebten Sinn hat. Er hat sich meinen Nacken und die Schultern vorgenommen und nicht nur meine Muskeln bearbeitet, sondern auch Verspannungen gelöst und Nerven aktiviert. Noch Wochen später kann ich spüren, dass sich da in meinem Inneren etwas getan hat. Die Schmerzen im Rücken hatten eben wohl nicht nur mit den verspannten Muskeln zu tun, sondern hatten auch tiefer liegende Ursachen. Normale Massagen tun einem natürlich auch gut, aber die Osteopathie stellt sich für mich als eine Anwendung mit einer viel nachhaltigeren Wirkung heraus.
Ab ins Reich der Träume: Mittagsschlaf mit warmem Kartoffelwickel
Erst „tun“, dann „ruhn“: Zum Entspannen gehe ich in den Pool oder in die Sauna, zum Meditieren und zum Waldbaden. Die für mich angenehmste aller Anwendungen ist aber der feucht-warme Leberwickel, den ich mir nach dem Mittagessen auf die Rippen lege. Das soll die Durchblutung der Leber und die Entgiftung fördern. Auf jeden Fall ist es das beste Rezept für Menschen wie mich, die immer dachten, ein Mittagsschlaf wäre nichts für sie. Von wegen: Schon nach ein paar Minuten bin ich weg, Tag für Tag.
Ich habe nichts auf dem Teller. Und bin trotzdem satt.
Morgens ein Glas Karottensaft mit Zitrone, mittags eine Fastenbrühe, abends Tee mit Honig – das war Ihr Fastenmenü. Jeden Tag! Ich hatte vermutet, dass ich diese winzigen Portiönchen jedes Mal anstarren und mich über meine Blödheit ärgern würde: Warum zum Teufel tust Du, der doch so gerne isst, dir das eigentlich an? Aber ich vermisse während dieser Woche nichts – weder die normalen Portionen noch die Abwechslung, die mir sonst so wichtig ist. Zum einen freue ich mich tatsächlich auf die Mahlzeiten, wenn man denn das, was auf dem Tisch steht, so nennen kann. Zum anderen bin ich danach wirklich satt. Natürlich könnte ich mir vorstellen, noch mal eine Kelle Suppe mehr zu nehmen. Aber ich merke, dass mein Körper das gerade gar nicht braucht.
Sicher interessiert es Sie, ob es immer noch so streng zugeht wie zu der Zeit, als Sie die Klinik geleitet haben. Man hat mir nämlich gesagt, Sie seien sehr strikt gewesen. Heute ist man da lockerer. Ich zum Beispiel habe abends statt Tee mit Honig noch einmal Gemüsebrühe bestellt. Über den Tag verteilt mindestens drei Liter Wasser und Tee trinken, und abends dann noch einmal das Gleiche? Sorry, das war mir dann doch zu eintönig.
Krise? Welche Krise? Ich fühle mich putzmunter.
Andere Heilfastende bekommen ab und an ein Glas Buttermilch. Das wird in Absprache mit dem Ärzteteam entschieden, das ein Auge auf die Blutwerte hat. Ein schöner Nebeneffekt der Kontrolle: Schlappheit, Schwindel, Unwohlsein treten bei mir nicht auf – alles Symptome der sogenannten Fastenkrise, mit der manche am Anfang des Fastens kämpfen, bis sich der Körper umgestellt hat.
Nach dem „metabolic switch“ bezieht der Körper seine Energie mehr aus der Verbrennung von Fettsäuren statt aus der Verwertung von Kohlehydraten. Mich hat überrascht, dass ich die Veränderung mitbekomme. Warum auch immer: Plötzlich habe ich Gerüche deutlicher wahrgenommen, der Honig zum Tee schmeckte süßer als normal, das Gemüse viel intensiver. Schade, dass man solche Sinneseindrücke zu Hause nicht nachvollziehen kann...
Zeit fürs Abfasten: Ich esse wieder, aber gaaaaanz langsam
Bei mir ist es nach fünf Tagen soweit. Bei anderen, die länger fasten, nach sieben, zehn oder 14 Tagen: Die Zeit fürs Abfasten ist gekommen – es gibt also wieder was zwischen die Zähne! Sarah Reinmold heißt die nette Diätassistentin, die eine Kerze anzündet und mir die Kartoffelsuppe einschenkt. Ein Hoch auf den Koch – selten so was Gutes gegessen! Das Festmahl gilt es zu genießen, ganz langsam, Löffelchen für Löffelchen. Und natürlich habe ich bis heute nicht Ihren Spruch vergessen, den Sie in Ihren Vorträgen wieder und wieder wiederholt haben: „Gut gekaut ist halb verdaut!“ Das soll wohl heißen: Wer sich beim Essen Zeit nimmt, nimmt dem Verdauungsapparat viel Arbeit ab – und ist auch schneller satt.
Intervallfasten: Ein super Tipp für den stressigen Alltag
Übrigens, lieber Herr Dr. Weckbecker: Aus Ihrer Klinik wird man nach einer Woche des Fastens und Abfastens nicht einfach so nach Hause geschickt. Tolle Idee, diese Online-Sprechstunden: So hält man den Kontakt und bekommt Tipps fürs Intervallfasten. Einmal pro Woche eine kurze Essenspause einzulegen soll Wunder bewirken. Wann immer möglich, werde ich das jetzt umsetzen.
Ich habe auch eifrig mitgeschrieben, als Sarah Reinmold ihre 1001 Ernährungs-Tipps in der Lehrküche mit uns geteilt hat. Mehr pflanzliche Fette verwenden statt tierische? Magerquark mit Olivenöl zu den Pellkartoffeln! Gemüse aus dem Ofen? Ist tatsächlich eine leckere, vollwertige Mahlzeit. Quinoa, Naturreis, Vollkornmehl: „Gute Ernährung ist wie ein Schutzpanzer!“
Appetit auf mehr Heilfasten: Wer hätte das gedacht?
Der Anfang ist gemacht. Mal schauen, wie lange ich es durchhalte, weniger zu essen und vor allem besser. Vielleicht sollte ich gleich jetzt erneut eine Woche Heilfasten buchen, für nächstes Jahr? Lieber Herr Dr. Weckbecker: Dass jemand wie ich schon wieder Appetit darauf hat, nichts zu essen, hätte ich nie erwartet. Ich fühle mich rundum gut erholt. Und schaue gerne wieder mal vorbei.
Mit herzlichen Grüßen
Helge Bendl
Weitere Infos:
Angebote fürs Heilfasten nach der Weckbecker-Methode gibt es hier.
Ernährungs-Expertin Sarah Reinmold im Gespräch.
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