Im Heilklimatischen Kurort Bad Hindelang ist die Luft besonders frisch. Hier wird sie kontrolliert, geprüft und stets für gut befunden. Ein Grund mehr, beim Wintersport auf und neben den Pisten und Loipen einmal richtig fest durchzuatmen fürs Refreshment von Körper und Geist. 

Ganz tief atme ich ein, möchte die Luft gar nicht mehr loslassen. Ausatmen und noch einmal ganz bewusst Luft einatmen. Meine Lunge, meine Bronchien füllen sich. Aufs Ausatmen würde ich am liebsten verzichten, doch gehört das bekanntlich dazu. Neue, frische, klare, staubfreie Luft für die nächste Lungenlüftung gibt es genug hier in den Allgäuer Alpen, auch für Frischluftfanatiker wie mich. Einatmen und den Blick schweifen lassen, in Richtung schneebedeckter Berge der Sonne entgegen blinzeln und ... atmen – tief und ganz bewusst. Wie habe ich die Winterluft vermisst.

Hier sehen Sie einen Panoramaausblick von einem Berg hinab auf die Häuser des verschneiten Bad Hindelang.
© Kirsten Panzer - Im Heilklima von Bad Hindelang ist jede Aktivität immer gleich doppelt so gesund.

Zuerst sind die Schneeschuhe dran. Ganz unerfahren bin ich nicht, aber die letzte Wanderung ist lange her. Wenn ich mich recht erinnere, bin ich dabei trotz der breiten Lauffläche ganz schön in den pulvrig-trockenen Schnee eingesunken – anstrengend war es auf alle Fälle. Heute geht es besser, das liegt auch am Schnee. „Der ist heute leicht verharscht“, erklärt mir Hannes Rädler, Skilehrer und Snowshoe-Guide aus Unterjoch, beim Anschnallen der flachen Schneeschuhe, die so gar nichts von einem Schuh haben. Früher bei den Inuit sahen sie noch aus wie verkürzte Tennisschläger. Die gestreckt-ovale Form haben sie beibehalten, das Material ist allerdings wesentlich moderner und stabiler. Und leicht sind sie.

Hier sehen Sie eine Frau, die mit Schneeschuhen über eine verschneite Wiese geht.
© Kirsten Panzer - Mit den Schneeschuhen schwebe ich fast über den Schnee - das macht richtig Spaß!

Auch die Seele wird poliert

So gehe ich Schritt für Schritt den Hügel hinauf, nehme einfach die direkte Linie, die Krallen unterm Vorderfuß halten; der Schnee trägt. Ohne Schuhe würde ich ganz schön ins Straucheln kommen und bestimmt bis zum Knie einsinken. Ein kleiner Wackler nach links, Balance halten, weiter stapfen. Ich soll mich ein wenig nach vorne beugen, lautet Hannes wertvoller Tipp zur Haltungsnote. Bei aller Leichtigkeit, meine Beine und ich merken den Anstieg. Also anhalten, etwas verschnaufen – Luft holen, ganz tief und in aller Ruhe. Das tut gut, nicht nur meiner Lunge, sondern auch meinem Hirn. Altlasten atme ich einfach weg. „Das reinigt die Seele“, weiß Hannes und meint damit die Luft, die Berge und den Blick, von dem selbst er, der hier aufgewachsen ist, einfach nicht genug bekommen kann.

Auf den Bäumen glitzert es, darunter Spuren im Schnee. Fuchs und Hase waren schon vor uns hier – hat einer den anderen gejagt? Das lässt sich nicht lesen, schon gar nicht von mir. Wichtig sei es, die Futterplätze der Tiere, vor allem der Rehe und des Rotwilds zu meiden. Sonst darf man überall herumlaufen. Das einfach so „querfeldein“ fasziniert mich auf meinem Weg hinauf mit Blick zu den Gipfeln des Iseler, Kühgrund und des Wannenjochs. Verloren gehen kann ich – zumindest hier und heute - nicht, die Sicht ist gut, Wege und Loipen nicht weit entfernt und – ganz wichtig – Hannes stapft an meiner Seite. Er ist es auch, der die Pause einläutet. Denn „zum Schneeschuhwandern gehört auch das Genießen,“ erklärt mein durchtrainierter Guide, der seit seiner Kindheit auf die Berge steigt, und zeigt dabei hinauf zum knapp 1650 Meter hohen Spieser. Da oben sei er schon heute Morgen kurz gewesen. Wie man das allerdings schaffen kann, quasi schnell mal als Morgenspaziergang, ist mir ein Rätsel. Meine Muskeln ziepen schon jetzt ein wenig, von den ungewohnten Bewegungen. Schneeschuhwandern ist wirklich Ganzkörpertraining, für die Balance, die Fitness und das Herz-Kreislaufsystem.

Im Vulkan brodelt es schon

Der doppelwandige „Vulkan-Kocher“ glüht, eine Erinnerung an Freunde aus dem Hohen Norden, der Glühwein blubbert, die Sonnenbrille sitzt – fantastisch. Was für ein Ausblick übers weite Schneegeglitzer. Einfach nur die Weite genießen.

Hier sehen Sie einen Mann, der im Schnee kniet und einen Vulkan-Kocher anheizt.
© Kirsten Panzer - Im Vulkanofen wird der Glühwein ratzfatz warm. Prost Hannes, mein weltbester Schneeschuhguide!

Die Lust am Laufen über den weiten Schnee ist geweckt, ich könnte nach Glühwein und Müsliriegel noch ewig über den Schnee „schweben“. Oder soll ich mich an eine Mehrtagestour heranwagen? Auch die führt Hannes. Vielleicht das nächste Mal.

Bad Hindelang hat schließlich noch mehr zu bieten. Ein paar alpine Abfahrten gönne ich mir in Oberjoch. Das muss einfach sein. Zu verlockend sind die waldgesäumten, weiten Pisten, auf denen jeder genug Platz für seine eigene Spur findet. Drängeln, anstehen – Fehlanzeige. Die Ski sind gewachst, die Kanten geschliffen und die Bergbahnen Hindelang-Oberjoch schicken ihre Sessellifte bergauf. Einsteigen und dem Berg gemütlich entgegen schweben. Vorfreude aufs anschließende Bergab. Hauptsächlich rote Pisten laden dazu ein. Ich hoffe nur, dass ich bei all den Verzweigungen den richtigen Weg zurück ins Tal finde.  

Mit Tempo geht´s um die Kurven

Und dann das Rodeln. Dafür ist Bad Hindelang bekannt. Die drei Strecken gelten als die besten im Allgäu. Der ADAC zählt sie sogar zu den besten Deutschlands. Schlitten schnappen, mit der Hornbahn hinauf zum Imberger Horn und um die Kurven wieder hinunter fegen. Die Sonne strahlt und tut auf knapp 1660 Metern gerade im Winter nochmal so gut. Ein kleines Refill für die gute Laune und den vernachlässigten Vitamin-D-Spiegel.

Hier sehen Sie eine Frau in dunkler Winterkleidung von hinten, die einen schneebedecken Hang beginnt auf einem Holz-Schlitten hinunter zu rodeln.
© Kirsten Panzer - Die besten Rodelbahnen Deutschlands bin ich in Bad Hindelang "hinuntergekuvt" und hatte unglaublich viel Spaß dabei.

Die Pause danach genieße ich gleich unten an der Bahn im kleinen Café/ Restaurant NordSüd: Hier trifft der Norden auf den Süden oder umgekehrt. Das passt! Die junge Wirtin Marie Galler kommt aus dem Norden, quasi aus meiner Nachbarshaft aus Stade im Alten Land. Der Liebe wegen ist sie nach Süden gezogen. Anker trifft auf Edelweiß, ein cooles Bild, das mir aus dem Herzen spricht.

Abends, wenn das Licht angeht

Winterwunderland mit heißem Tee und kaltem Radler, wie Marie es beschreibt, und mit ganz viel Sport und bester Luft, wie ich es liebe. Und genau von der kann ich einfach nicht genug bekommen. Also was tun? Das Flutlicht suchen. Nicht auf der Abfahrt, sondern im Flachen. Schließlich fehlt mir noch eine Sportart für mein Rundum-Winterprogramm: Langlaufen. Und das kann man bestens auch in der Nacht.

Jessi Dotzler wartet auf mich am Parkplatz gleich an der Hornbahn. Als ehemalige Profilangläuferin hat sie sich inzwischen mit ihren Ski den Marathon-Strecken verschrieben. Heute will sie mich auf ihre abendliche Hausstrecke mitnehmen. Eine kurze Fahrt mit Emmi – dem für Übernachtungskäste kostenlosen Elektromobil - emissionsfrei, miteinander, individuell - dafür steht der Name.Einfach per App bestellen, einsteigen, fahren lassen und dabei den Blick über die verschneite Abendlandschaft genießen.

Eine Runde am Nordpol

Nach Rodeln, heißer Holunderschorle mit Edelweiß- und Anker-Logo und einem Spaziergang über die Schneefelder geht es nun im Dunkelnab auf die Loipe. Das Flutlicht darf sich jeder selbst einschalten, so brennt es nicht die ganze Nacht und bietet trotzdem Licht, wenn man schnell noch einmal eine Runde am Nordpol drehen möchte. So heißt das „Kälteloch“ direkt an der Ostrach. Und dank der Kälte hält sich der Schnee hier auch besonders lange. Beste Bedingungen also für einen Nachtlauf während in den Hotels schon die Lichter brennen und die handgeschabten Allgäuer Kässpatzen serviert werden. Nicht umsonst gehört Bad Hindelang zu den 100 "Genussorten" in Bayern, wobei vor allem auf regionale Produkte wert gelegt wird.

Hier sehen Sie eine Frau von hinten, die nachts im Flutlicht eine Langlauf-Loipe entlang fährt.
© Kirsten Panzer - Die berühmten Allgäuer Kässpatzen muss ich mir erst bei einer Runde Nachtlanglauf verdienen.

Mehr als BBP - Ganzkörpertraining bei Mondschein

Mütze auf, Bretter unterschnallen und dann los. Erst eingewöhnen, Wackler sind bei mir natürlich mal wieder inklusive. Mit den Tipps von Jessi klappt es immer besser und so schleiche ich erst einmal „klassisch“ ganz leicht bergauf. Meine Arme und Beine muss ich dabei diagonal einsetzen. Beim Langlaufen wird wie beim Nordic Walking der ganze Körper trainiert und die abendliche Kälte pusht die Abwehrkräfte noch einmal mehr. Er tut eben gut, der Sport draußen in der Winterluft – auch wenn die Sonne sich schon längst aus dem Tal zurückgezogen hat.

Noch einmal muss ich mich aufs Wesentliche konzentrieren, das sind wieder einmal die Bewegungsabläufe und dazu die Strecke. Also linker Arm und rechtes Bein nach vorn und dann umgekehrt – ich finde den Rhythmus und gleite durch die Nacht. Das soll es noch nicht gewesen sein. Jessi hat noch mehr mit mir vor hier unten am Nordpol. Im flachen Teil der Loipe lerne ich den Doppelstockeinsatz – mit den Armen ziehe ich mich praktisch vorwärts. Meine Muskeln werden es mir danken. Ich hoffe, das Arm-Shaping sieht man im Sommer noch. Beim nächsten Anstieg kommt zum Doppelstock auch noch der Zwischenschritt – Schub und Schwung! Während ich die Stöcke gleichzeitig nach vorne bringe, soll ich nun auch noch ein Bein heben, nach hinten weg strecken und so zusätzlich Schwung holen. Bei Jessi sieht das ziemlich cool aus… Dann kommt ihr Lob und poliert auch gleich noch mein Selbstbewusstsein auf. Die Mühle dreht ihr Mühlrad durchs Wasser während der Mond über den Berggipfeln steht. Ein bisschen Romantik, ein bisschen Abenteuer und dazu das große tiefe Durchatmen – mental refreshing plus Ganzkörperworkout.

Davon kann ich nicht genug bekommen, von der Luft, der erfrischenden Kälte und dem Wintersport. Und ehrlich – die Loipe mit dem Flutlichtstrahler würde ich am liebsten mit nach Hause nehmen. Statt Indoor-Fitness einfach abends vorm Schlafengehen noch eine Runde drehen, oder zwei, das wäre das perfekte Programm, um den Kopf freizubekommen und anschließend in einen tiefen Schlaf zu fallen. In Bad Hindelang war der jedenfalls – auch dank Heilklima – so tief wie schon lange nicht mehr.

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Kirsten Panzer

Kirsten Panzer hat sich während ihres Ethnologie-Studiums in München auch um das Thema Gesundheit, Rituale und Heilkunde in fernen Ländern gekümmert. Inzwischen erkundet die gelernte Journalistin die Welt für Tageszeitungen und Magazine mit Pferd, Wanderschuhen, Segelboot, Kanu oder Ski und kehrt zum Thema Gesundheit regelmäßig nach Bayern zurück. Das Krafttanken gelingt ihr hier zwischen Hügeln und Bergen, Wiesen und Seen am allerbesten. Und den bayerischen Himmel vermisst sie auch nach Jahren im Norden immer noch.

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